In Rumänien ist es anders. Wie viele Komponistinnen in der Gegenwart aktiv sind, erhellt aus Konzertprogrammen unmittelbar. Musik von Frauen muss nicht erst „sichtbar“ gemacht werden. Sie bedarf keiner expliziten Fürsprache, sie braucht keine Schutzräume. Die Zeiten, in denen ein ästhetischer Diskurs auch eine Funktion des Geschlechts der Handelnden wäre, sind in Rumänien vorbei. Das hat Gründe. Dass Frauen die Teilhabe an allen Lebensbereichen in sozialistischen Ländern leichter möglich war, ist gewiss eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung auch für eine paritätische Partizipation in Kunst und Wissenschaft. Doch das ist allenfalls eine hinreichende Bedingung. Viel wichtiger dürfte sein, dass die Parameter eines ästhetischen Leitdiskurses in Rumänien größere Deutungsperspektiven eröffneten als in anderen Ländern, wo der Diskurs enger (und strenger) geführt wurde, limitiert auf Fragen von Material, Technik und Handwerk: Begriffe, die zum Raisonnement einladen, weniger aber zu Spontaneität ermutigen. Und der Körper, der Musik macht und erlebt, gerät dann zur nachgeordneten Instanz. Doch auch der Bezug zu Tradition und Geschichte ist in Rumänien unbefangener. Es fällt nicht schwer, sich in Bezug zur Historie zu setzen, zu Formen autochthonen Musizierens in Ritus, Liturgie und Geselligkeit. Ethos und Rhythmus, Modi und Metren sind Bausteine, die schlicht adaptiert werden können, die jedoch auch vielfältige Entwicklungen zulassen.
Bachs "Aria mit 30 Variationen", der vierte Teil seiner Clavierübungen, ist ein Kompendium von Stücken unterschiedlichster Stile und Satzarten. Deren verbindendes "Thema" ist kaum mehr als ein Bassmodell, das die Grundlage bildet, ein breites Spektrum von Formen und Fakturen - von Tanz und Stile antico, von Kanon bis Potpourri, von Polonaise und Ouvertüre - zu demonstrieren: als Versuch, die Vielfalt der Musik von 1740 auf eine gemeinsame Basis zurückzuführen. Dieser Ansatz lässt sich fortschreiben, indem einzelne Stücke ersetzt, neugefasst, anders akzentuiert werden. Eine Herausforderung, der sich 45 Komponistinnen und Komponisten gestellt haben - und in der Vielfalt an Möglichkeiten, an sein Werk anzuschließen, eine weitere Hommage an Bach
Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
1 Online-Ressource.
Myriam Marbe ist eine herausragende Persönlichkeit und eine zentrale Figur der Musik Rumäniens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In ihrem künstlerischen Schaffen vergegenwärtigt sich die Notwendigkeit des Kreativen (der Kreativität) und des Schreibens, um „leben zu können“. (Karl Jaspers). Dabei gehörte Myriam Marbe zu jenen kreativen Persönlichkeiten, die ihre Begabung nicht leichtfertig oder mit Prahlerei zur Schau stellten. Ihre Kompositionen zeugen von einer durch und durch menschlichen Haltung, mit der sie die tiefen Ebenen unserer Existenz musikalisch reflektiert. Ihre Musik kann komplex und hochkomplex sein, wenn es der Zusammenhang des Ganzen erfordert. Ihre Musik kann aber auch beinahe hieratisch, einfach und archaisch sein und wirken, wenn der musikalische Gestus dies notwendig macht. Gleichzeitig hat Marbe nicht nur das Erbe der rumänischen Kultur kontinuierlich und tiefgehend aufbewahrt, sondern auch bewusst eine breite Palette verschiedener Musikkulturen wahrgenommen und mit überzeugender Kreativität auf diese reagiert.
Wie Wir Wissen Oldenburg : Institut für Materielle Kultur, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2019 (2019), Seite 38-39 1 Online-Ressource (47Seiten)
In der rumänischen Musik gibt es eine Zeit vor Enescu und eine Zeit nach Enescu. Als Komponist und Interpret hat er Generationen von rumänischen KomponistInnen und MusikerInnen geprägt und tut es noch heute. Mit diesem Band liegt erstmals eine deutschsprachige Publikation vor, in der musikwissenschaftliche Beiträge über Enescus Musik, aber auch über seine Person vereint werden konnten. Enthalten sind Aufsätze vom ersten ZwischenZeiten Symposium im Jahr 2006, das Enescu gewidmet war, ebenso wie Beiträge aus den ZwischenZeiten Symposien der folgenden Jahre, in denen immer wieder Bezüge zu Enescus Œuve herstellt wurden.
Musik gilt allgemein als Zeitkunst. Diese Arbeit wirft den Blick auf einen anderen Aspekt: den Raum in der Musik. Um hier Aufklärung zu bieten, führt die Reise durch eine Reihe von Raumbegriffen aus der Geschichte der Philosophie. Das Ergebnis sind gleich drei neue Raumbegriffe, abgeleitet aus Theorien der Erkenntnis, der Wahrnehmung und des Schließens: ein auditiver Raum, ein musikalischer Raum und ein elastischer Raum. Der elastische Raumbegriff betont die besondere Räumlichkeit rumänisch-byzantinischer Kompositionsweisen und bereichert den Diskurs zur Räumlichkeit von Musik, der durch die serielle Kompositionsweise entfacht wurde.