Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität
60 Seiten.
Literaturverzeichnis: Seite 59-60
"Erste Adressen" ist Ralph Gätkes dritte Sammlung von Textauszügen und Kurzportaits seiner schönen und seiner komischen Helden in der deutschen und englischen Literatur. Doch das Format der Texte in "Erste Adressen" unterscheidet sich von "Schöne Helden" (1986) und "Komisch wie Kafka" (1991). Zwar sind es auch hier wieder "Animiertexte", aber keine diskursiven Autorenpotraits, sondern knappe "Teaser", die Appetit machen sollen auf die Lektüre der "besprochenen" Werke.
In dem Band "Komisch wie Franz Kafka" sind Leseempfehlungen, "Animiertexte", zusammengefaßt, die nur einen Zweck verfolgen: Sie wollen die vorgestellten Autoren von ihrer besten Seite zeigen. So ist ein Prinzip beibehalten worden, das sich bereits beim Vorgängerband "Schöne Helden" als dienlich erwiesen hatte: an sich zitierfreudigen Aufsätzen sind kurze Leseproben hinzugefügt worden. Präsentiert werden die Autoren Saki, Robert Gernhardt, Julian Barnes, Vladimir Nabokov, Eckhard Henscheid, Franz Kafka und Bernd Eilert. Die Klammer zwischen diesen nicht auf den ersten Blick verwandten Schriftstellern wird in einem Zitat Milan Kunderas gesehen: "Die Tragik verschafft uns die schöne Illusion menschlicher Größe und damit Tröstung. Das Komische ist grausamer: es enthüllt uns brutal die allgemeine Belanglosigkeit. Ich vermute, daß alles Menschliche einen komischen Aspekt hat, der in manchen Fällen erkannt, zugelassen, ausgeschlachtet, in anderen Fällen verhüllt wird." <dt.>
Im Buch sind neun Autorenportraits zusammengefaßt, die vom Januar 1984 bis zum Oktober 1986 im Zeitungslesesaal der Universitätsbibliothek als Leseempfehlung ausgehängt waren. Wert gelegt wurde dabei auf fast Vergessenes, kaum Bekanntes oder nicht angemessen Verbreitetes. Das Verfahren ist zweigleisig: den Autorenportraits sind Leseproben beigegeben. Der (ironisch gemeinte) Titel der Sammlung ist von Anton Čechov entlehnt. Der hatte in seinen Theaterstücken und Erzählungen den Typus des "überflüssigen Menschen", den sich in seiner Lethargie und Resignation einrichtenden russischen Intelektuellen des späten 19. Jahrhunderts gezeichnet. Eher indifferente, kaum zur Identifikation einladende Helden bevölkern auch die Texte der meisten anderen vorgestellten Autoren. Bei dem komischen Realisten Eckhard Henscheid sind es agile, meist alkoholisierte Kleinstadtschwadroneure, beim Alltagsepiker Arno Schmidt hartgesottene Außenseiter. Die Protagonisten des Amerikaners Leonard Michaels sind Großstadtneurotiker, die des Italieners Italo Svevo Menschen, die Enttäuschungsprophylaxe betreiben und sich nicht recht ins Leben wagen. Hinzu kommen der konservative englische Gesellschaftssatiriker Evelyn Waugh, der Frankfurter Maler, Zeichner und Schriftsteller Robert Gernhardt, der irische Romancier, Satiriker und Kolumnist Flann O'Brien sowie der sowjetische Avangardist und geistige Bruder der Dadaisten Daniil Charms. <dt.>