Talkshows - jeder kennt sie, jeder regt sich über sie auf, keiner sieht sie offenbar (oder wenn, dann distanziert und ironisch). Das Schlüsselwort "Moral" in Zusammenhang mit "TV-Talkshow" weckt deshalb wahrscheinlich zunächst falsche Assoziationen. Ziel meiner Untersuchung war es nicht, diese Sendungsgattung selbst moralisch zu bewerten. Auch ist nicht Moral selbst Gegenstand theoretischer (oder philosphischer) Reflexion, sondern es ging mir um die Praxis der gesellschaftlichen Realisierung von Moral. Gegenstand der Analyse ist die kommunikative Bearbeitung des Ethisch-Moralischen in Form von Diskursgenesen. Diese habe ich exemplarisch anhand von Nachmittags-Talkshows des Fernsehens und den auf sie bezogenen Zuschauerbriefen untersucht. Mich interessierte so, wie, wo moralische Bewertungen in den Sendungen zum Ausdruck kamen, welche dies waren und wie sie interaktiv prozessiert wurden. Die Zuschriften wurden ebenfalls unter dieser Fragestellung betrachtet, außerdem jedoch in ihrer Eigenschaft, die Sendungen als "moralische Sinnangebote" diskursiv fortzusetzen. Die Analysen führen zu einer Vielzahl einzelner "kleiner" Ergebnisse über den Umgang mit Strittigem und die Realisierungsweisen und Funktionen von Moral. Insgesamt stützen sie alle die Annahme, daß die interaktive Verständigung über und die Aushandlung von Moral im Alltag nicht explizit und bewußt, sondern unbewußt und größtenteils "hinter dem Rücken" der Beteiligten verläuft. Die empirischen Analysen und ihre mehrstufige Reflexion verdeutlichen, wie dies vorzustellen ist und welche Implikationen die Ergebnisse sowohl in Bezug auf Deutungen von Alltagspraxis als auch im Hinblick auf diskurs- und rezeptionstheoretische Fragestellungen haben können. Die gesamte Untersuchung steht vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen um "postmoderne" Vielfalt und/oder Beliebigkeit der Werte. <dt.>